Die Wunschliste bezüglich bestimmter Eigenschaften einer Legehenne ist lang. Unabhängig von variierenden
Umweltbedingungen und Marktanforderungen sollen die Legehennen eine Vielzahl von Eiern legen, um das
Einkommen der Landwirte zu sichern. Darüber hinaus ist es für Nicht-Käfig-Haltungen von Bedeutung, dass die
Hennen die Legenester akzeptieren und ihre Eier in diese ablegen. Dies setzt eine gewisse Aktivität der Hennen
voraus, welche wiederum nicht zu stark ausgeprägt sein sollte, da Zusammenhänge zwischen einer verstärkten
Aktivität und atypischen Verhaltensweisen beobachtet werden.
Aus züchterischer Sicht können
wir uns diesen Wünschen nur
annehmen, wenn ein geeignetes
Erfassungssystem für die spezifischen
Eigenschaften besteht. Dies bedeutet im
Idealfall eine hennenspezifische Beobachtung,
welche an einer Mindestzahl von
Tieren praktisch umsetzbar sein muss. Direktbeobachtungen
können somit in Gruppenhaltungen
ausgeschlossen werden.
Elektronische Erfassungssysteme, welche
automatisch Dateninformationen zu jeder
einzelnen Henne bereitstellen, sind das
Maß der Wahl.
In Gruppen von mehreren hundert
Tieren werden Lohmann Legehennen tierindividuell
mit verschiedenen elektronischen
Erfassungssystemen geprüft. Nach
den ersten Prototypen eines „Autonests“
wurden im Jahr 2004 die ersten Lohmann
Hennen in 48 Weihenstephaner Muldennestern
geprüft. Seither wurde immer
weiter an den Mechanismen, der Elektronik
und Software gefeilt, bis wir vier Jahre
später 72 modifizierte Weihenstephaner
Muldennester hatten, welche mit einer
Genauigkeit von bis zu 97 % die Eizahl
jeder einzelnen Henne in einem Gruppenhaltungssystem
aufzeichnen. Ferner kann
jedes Ei am Ende eines Produktionstages
auch der jeweiligen Henne wieder zugeordnet
werden, so dass hennenspezifische
Eiqualitätsuntersuchungen im Rahmen
der Leistungsprüfung gemacht werden
können. Neben der exakten Eizahl einer
Lohmann Henne in Gruppenhaltung können
somit auch essentielle Merkmale wie
das Eigewicht, die Schalenstabilität, sowie
weitere eibezogene Merkmale für jedes
einzelne Tier untersucht werden.
Beiläufig gewinnen wir neue Informationen
zum Nestverhalten der einzelnen
Henne, welches gerade im Hinblick auf
die Nestgängigkeit und die Anzahl notwendiger
Nestplätze von Bedeutung ist.
Eine interessante Frage, welche derzeit auf
Einzeltierbasis nur in dem gemeinsamen
Teststall von der TU München und der Lohmann
Tierzucht beantwortet werden kann,
ist der Zusammenhang zwischen der Legeleistung
und dem Auslaufverhalten. Ein
angrenzender Wintergarten, welcher für
die Hennen über Schlupflöcher zugänglich
ist, zeichnet die Auslauffrequenz und
Dauer für jede einzelne Henne auf.
Unter der Verwendung von Einzelnestern
und Einzelschlupflöchern kam
immer wieder der Wunsch nach noch
mehr Praxisnähe bezüglich der Nest- und
Schlupflochgestaltung auf. Das Resultat ist
ein zweiter Teststall mit modifizierten Familiennestern
und breiten Schlupflöchern,
welche von mehreren Hennen zeitgleich
Abbildung 1: Leistungsprüfung im Weihenstephaner Muldennest und Einzelschlupfloch
Abbildung 2: Leistungsprüfung im Familiennest und breitem Schlupfloch
genutzt werden können. Mit Hilfe einer
hochfrequenten Transpondertechnologie
können wir auch in diesen beiden Systemen
die Hennen individuell erfassen. Auf
diesem Weg bekommen wir täglich Informationen
zum Nest- und Auslaufverhalten
von Lohmann Zuchthennen.
Vergleichende Auswertungen hinsichtlich
der Nestbelegung zeigen deutliche
Unterschiede zwischen Weiß- und
Braunlegern. Unabhängig von der Herkunft
besuchen die Hennen in aller Regel
nur einmal am Tag das Weihenstephaner
Muldennest, während ein Familiennest
häufiger am Tag von derselben Henne
aufgesucht wird. Mehrere kurze Nestbesuche
werden oftmals mit einem längeren
Nestbesuch am Tag abgeschlossen.
So ergeben sich Zeiten für die tägliche
Nestbelegung im Familiennest von durchschnittlich
30 Minuten für die Braunleger
und etwas mehr als einer Stunde für die
Weißleger. Ein einzelner Besuch im Familiennest
ist nur geringfügig kürzer als ein
Nestbesuch im Weihenstephaner Muldennest,
bei welchem die Henne ein Ei legt.
Nestbesuche ohne Eiablage sind in ihrer
Zeitspanne analog Tabelle 1 deutlich kürzer
und werden meist nur zu Produktionsbeginn
beobachtet. Später, wenn die Henne
ihren Legerhythmus gefunden hat und
auf einem hohen Leistungsniveau Eier legt
besucht die Henne in der Regel nur noch
einmal am Tag das Weihenstephaner Muldennest
für die Eiablage.
Ähnlich wie bei dem Nestverhalten in
Einzel- und Familiennestern werden auch
deutliche Unterschiede in der Auslaufnutzung
zwischen dem engen und breiten
Schlupfloch beobachtet.
Haben die Leghennen über ein breites
Schlupfloch Zugang zum Wintergarten, so
besucht annähernd jede Henne einmal am
Tag den Wintergarten. Im Gegensatz dazu
werden im Verlauf des Beobachtungszeitraumes
nur maximal 30 % der Hennen im
Auslauf gesichtet, wenn die Hennen über
ein enges Schlupfloch Zugang zum Wintergarten
haben. Bei der Beschreibung
des prozentualen Anteils Hennen im Wintergarten
ist es aber auch wichtig, dass
sich niemals alle Hennen zur selben Zeit
im Wintergarten aufhalten. Über den Tag
verteilt ist immer mindestens die Hälfte aller
Hennen im Stall. Lediglich während der
Mittagsstunden sind vermehrt Hennen im
Wintergarten zu sehen. Haben die Hennen
über ein enges Schlupfloch Zugang zum
Wintergarten, so werden niemals mehr als
10 % der Hennen zur selben Zeit im Wintergarten
beobachtet.
Die züchterischen Informationen welche
sich aus der Leistungsprüfung in diesen
vier verschiedenen Erfassungssystemen
ergeben sind die hennenspezifische
Eizahl, deren Eiqualität, sowie das Nestund
Auslaufverhalten. Reinzuchthennen,
welche neben der Prüfung in Einzeltierhaltung
so umfangreich geprüft werden,
Tabelle 1: Mittelwerte für die Nestaufenthaltsdauer von Weiß- und Braunlegern in Einzel- und Familiennestern
Abbildung 3: Vergleich der Auslaufnutzung von Legehennen mit Zugang über enge bzw. breite elektronische Schlupflöcher
können bezüglich ihrer Nestgängigkeit
und der Anzahl verlegter Eier züchterisch
verbessert werden. Ein entscheidender
Vorteil hierbei ist die Kenntnis über die
Zusammenhänge zwischen der hennenindividuellen
Legeleistung und deren
Aktivität. Denn, nur wenn die Beziehung
zwischen den einzelnen Selektionskriterien
bekannt ist, kann diese bei der Auswahl
der geeigneten Hennen für die nächste
Generation berücksichtigt werden.
Dr. Wiebke Icken
Tabelle 2: Überblick der hennenspezifischen Leistungsprüfungsmethoden für Lohmann Hennen in Gruppenhaltungen